Freitag, 7. Juni 2013

"Ökonomische Wehrpflicht", was ist das eigentlich?

Seit der Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland, scheint das Argument des Zwanges im Bezug auf Grundwehrdienst und Musterung vom Tisch zu sein . Die alten staubigen Kreiswehrersatzämter heißen jetzt "Karrierecenter", auf neu gestalteten Flyern der Bundeswehr lächelt eine junge Frau in Marineuniform, auf der Facebook Seite der Bundeswehr schwebt ein Transporthubschrauber vor blauem Himmel. Die Bundeswehr gibt sich viel Mühe, sexy zu wirken. Ruben Karschnick hat das neue Image der Bundeswehr, vor wenigen Wochen, in einem Artikel für Zeit Online etwas genauer unter die Lupe genommen. 
Wirft man jedoch einen Blick in diese "neuen Karrierecenter" stellt man fest, dass hier ein massiver Etikettenschwindel betrieben wird. Die Gebäude sind die gleichen, die Mitarbeiter sind die gleichen, die Untersuchungsmethoden sind die gleichen und auch das Verhältnis der Geschlechter im Sanitätsdienst ist immer noch gleich. Überwiegend männliche Bewerber und überwiegend weibliches Personal. Alter Wein in neuen, nun ja, eher neu angestrichenen, Schläuchen. Gut zugegeben, die Rekruten anschreien und ihnen im Befehlston klar zumachen, dass sie sich jetzt gefälligst nackig zumachen haben, das traut man sich heute nicht mehr. Ist aber auch nicht nötig, denn die jungen Männer die heute den Weg in die Kreiswehrersatzämter finden wollen um jeden Preis tauglich gemustert werden. Die machen alles was man ihnen sagt, weil sie gefallen wollen. Aber warum lassen sie das mit sich machen? 
Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist, auch wenn Deutschland im europäischen Vergleich relativ gut dasteht, weiterhin angespannt, so dass die Bundeswehr eine willkommene Flucht nach vorne für jene darstellt, die auf dem zivilen Arbeitsmarkt durchs Raster gefallen sind. Das weiß man bei der Bundeswehr und macht den Verdienst und die Sicherheit des Arbeitsplatzes zum zentralen Faktor der Werbekampagne.
Ihre finanziellen Vorteile lautet die Überschrift auf Seite zwei der Broschüre die für den "freiwilligen Wehrdienst" der Bundeswehr wirbt. Steuerfreier Wehrsold, Wehrdienstzuschlag, Sonderzuwendung, Entlassungsgeld, Zuschläge für Auslandseinsätze und einiges mehr, das sind die Argumente, die potentielle Bewerber, wie man Rekruten bei der Bundeswehr jetzt nennt, vom Dienst in der Bundeswehr überzeugen sollen.
Diese Bewerber, die aus finanzieller Not in die Bundeswehr getrieben werden und unter allen Umständen tauglich gemustert werden wollen, werden sich hüten, sich über erzwungene Nacktheit und über Ärztinnen und Truppenschreiberinnen des anderen Geschlechts zu beschweren. Diese jungen Männer werden erst spät merken, was man mit ihnen gemacht hat und dann ist es zu spät. Die Bundeswehr hat eine Verantwortung gegenüber diesen Menschen. Das betrifft zum einen die angemessene Aufklärung über die Risiken von Auslandseinsätzen, das betrifft die fachgerechte Beurteilung des Gesundheitszustandes des Bewerbers und das betrifft vor allem auch die menschenwürdige Behandlung, jener die sich "freiwillig" zum Dienst melden. Dort wo die ökonomische Not Menschen zum Opportunismus zwingt, darf es keine Profiteure geben, die diese Not ausnutzen. Auch wenn es teurer ist, Rekruten für urologische und proktologische Untersuchungen an zivile Fachärzte zu verweisen - an der Würde des Menschen darf nicht gespart werden. Auch nicht wenn es sich um Männer handelt. 

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